Mit Alpakas entlang der Rems wandern – Alltags-Auszeit für krebsbetroffene Familien

Erste Outdoor-Activity der Krebsberatungsstelle Rems-Murr in der aldmühle Waiblingen / Gemeinsames Tier-Erlebnis stärkt Psyche und Wohlbefinden
Winnenden / Schorndorf. Wenn Don Camillo locker die Ohren anlegt, ist er in Streichel- statt in Spucklaune. Zum Glück für zwei Dutzend Kinder und Erwachsene, die sich um sein Häuschen mit Garten scharen. Hier, in der Waldmühle Waiblingen, wohnt Don Camillo mit den Alpaka-Kollegen Pepe, Alfi und Bärchen. Sie recken schwarze, braune oder weiße Hälse in den blauen Herbsthimmel, kauen ihr Heu und warten geduldig, was der Freitagnachmittag bringt.

Kaum zu bremsen sind die jungen Besucher, die heute kuschel-, fütter- und wanderlustig in der Waldmühle auf dem Alpaka-Trip sind. Die Krebsberatungsstelle Rems-Murr hat krebsbetroffene Familien zur ersten gemeinsamen Outdoor-Activity eingeladen – auf dass der Gedanke an Krebs für ein paar Stunden verschwinde. Erlebnispädagogik nennt sich dieser Ansatz in der Therapie: „Unsere Familien, deren Alltag durch Erkrankung oder gar Tod eines Elternteils oder eines Kindes sehr belastet ist, sollen gemeinsam eine unbeschwerte Auszeit erleben. Sie können sich austauschen oder still erleben und sollen sich einfach nach ihren Bedürfnissen wohlfühlen“, sagt Eliza Gmähle von der Krebsberatungsstelle Rems-Murr, die mit ihrem Team zur Alpakawanderung eingeladen hat. „Wir können uns auf viele Erkenntnisse stützen, die die Vorteile einer tiergestützten Therapie belegen.“

Der Nachmittag startet mit gegenseitigem Beschnuppern. Wie Don Camillo & Co. ticken, womit man sie um den Finger wickelt und wann wir besser Abstand halten, erklärt Waldmühlen-Sozialpädagogin Joy Fehm, die das tierische Team leitet. „Lieber nicht einzeln füttern“, ist das erste Gebot. „Alpakas sind nämlich futterneidisch, und dann spucken sie gern.“ Statt Futter lässt Joy Fehm einen Korb mit feinster im Frühjahr geschorener Alpakawolle kreisen, die von den Kindern andächtig befühlt wird. „Ist das schön weich…“, sagt eines der blonden Mädchen.

Die Krebsberatungsstelle hat im April 2020, just zum Pandemie-Lockdown, ihren Betrieb unter dem Dach des Rems-Murr-Klinikums Winnenden aufgenommen. „Aktivitäten wie die Alpaka-Wanderung werden über Spenden finanziert“, sagt Eliza Gmähle, die sich auch über die Brotzeitkörbe freut, die fürs heutige Picknick von der Bäckerei Maurer gestiftet wurden.

„Bisher haben wir in unserer Beratung an die 500 Klienten betreut und mehr als 1.500 Gespräche geführt“, sagt Eliza Gmähle, Diplom-Psychologin und Psychoonkologin. Diese Ausbildung hat auch Kollege Björn Gmähle, der den Alpakatermin zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin der Beratungsstelle, Diplom-Sozialpädagogin Katrin Meulenberg, begleitet. Die beiden staunen ebenso wie ihre Klienten, dass die wolligen Therapeuten so gemütlich ticken.

Sie werden 20 bis 25 Jahre alt, sind sanftmütig, strahlen Ruhe aus und tun uns Menschen einfach gut, erfährt die Gruppe in der Waldmühle. Sie möchten aber auch nicht, dass man ihnen zu dicht auf den Pelz rückt und halten ihrerseits respektvoll Abstand – ideale Sparringspartner, um soziales Verhalten in der Gruppe zu üben. „Wichtig ist: Geht einzeln hin, nähert euch langsam von vorne und streichelt sie am Hals“, rät Alpaka-Chefin Joy Fehm und fragt: „Was könnte passieren, wenn man plötzlich von hinten kommt?“ Ein Mädchen mit Pferdeschwanz überlegt kurz: „Da bekommt es Angst.“ Und was, wenn man ihnen mitten ins Gesicht fasst? „Nicht schön“, sagt das Mädchen.

Zum Wandern bekommen die Alpakas bunte Halfter und Führstricke angezogen. „Immer nur einer führt bitte von links, und nach einer Weile wechselt ihr euch ab“, sagt Joy Fehm. Führungsverhalten à la Alpaka geht so: „Über den Strick seid ihr mit eurem Alpaka verbunden. Wenn es loslaufen soll, lauft ihr selbst los. Habt keine Angst, Alpakas kennen alles, was uns begegnet: Autos, Fahrräder, Hunde.“ Die Gemütstiere reagieren nie panisch und sind optimale Wegbegleiter. Dafür erwarten sie vom Menschen, dass er sich auf ihr Tempo einlässt. Entschleunigt und entspannt zockelt die Karawane los Richtung Rems-Radweg. Schritt für Schritt raus aus dem Alltag mit Krebs. Die Krankheit ist nicht weg, aber die Konzentration ist jetzt ganz bei den Alpakas.

Die Krebsberatungsstelle Rems-Murr….
… ist ein für Patienten und Angehörige kostenloses Angebot und ergänzt die tumormedizinische Betreuung, die zum Beispiel im Onkologischen Zentrum des Rems-Murr-Klinikums stattfindet. Patienten und ihre Angehörigen werden während des gesamten Behandlungsprozesses begleitet und auch in der Nachsorge, wenn sie aus der Klinik entlassen werden. Neben psychologischer Beratung, Kursen und gemeinsamen Aktivitäten unterstützt das Team der Krebsberatungsstelle um Leiterin Eliza Gmähle auch bei rechtlichen und sozialrechtlichen Fragen wie Zuzahlungen, Kostenübernahmen und Fragen zu Vollmachten oder Patientenverfügungen. Informationen zur Krebsberatungsstelle Rems-Murr unter Tel. 07195-59152470 und auf der Webseite der Rems-Murr-Kliniken: https://www.rems-murr-kliniken.de/medizin/winnenden/haematologie-onkologie-palliativ/krebsberatungsstelle-rems-murr.html